Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09,
1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 – erkannt, dass dem SGB II eine Härtefallregelung fehlt und diese
(im Rahmen einer einstweiligen Anordnung bis zur gesetzlichen Neuregelung)
mit sofortiger Wirkung in Kraft gesetzt.
Der Gesetzgeber ist grundsätzlich befugt, den typischen Bedarf zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums durch einen monatlichen Festbetrag abzudecken. Das Gesetz muss dann jedoch eine Härtefallöffnungsklausel für atypische Fälle haben.
Das Bundesverfassungsgericht hat (offenbar ganz bewusst) von der konkreten Ausgestaltung der – jedoch mit sofortiger Wirkung in Kraft gesetzten – Härtefallregelung abgesehen.
Um den Behörden die Arbeit zu erleichtern - und offenkundig auch, um die Kosten möglichst gering zu halten -, hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Positiv- und
Negativliste erstellt.
„Positivliste“
• Kosten für die Wahrnehmung des Umgangsrechts mit den Kindern (Fahrt- oder Übernachtungskosten)
• Putz- oder Haushaltshilfe für Rollstuhlfahrer
• Im besonderen Einzelfall: Kosten für Nachhilfeunterricht
• Im Ausnahmefall: nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel (z.B. Hautpflegeprodukte bei Neurodermitis oder Hygieneartikel bei ausgebrochener HIV-Infektion)
„Negativliste“
• Praxisgebühr
• Bekleidung für Übergrößen
• Brille
• Waschmaschine
• Zahnersatz
• Orthopädische Schuhe
Ob die Negativliste der sozialgerichtlichen Überprüfung, insbesondere im jeweiligen Einzelfall, stand hält, bleibt abzuwarten.
Dass die Positivliste unvollständig ist, räumt das Ministerium ausdrücklich ein. Denkbar sind beispielsweise auch folgende Fälle:
• Nicht verschreibungspflichtige Medikamente bei Unverträglichkeit des verschreibungspflichtigen Medikaments (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen 07.02.2008 – L 7 B 313/07 AS-).
• Bekleidungskosten bei außergewöhnlichem Wachstumsschub (vgl. LSG Hessen 29.10.2008 – L 6 AS 336/07 - Tz. 112, sofern man darin keine Erstausstattung im Sinne des § 23 Abs.3 SGB II sieht).
• Beiträge zum Basistarif der privaten Krankenversicherung (vgl. SG Karlsruhe 10.8.2009 – S 5 AS 2121/09 -, sofern man § 26 SGB II nicht gegen den Wortlaut erweiternd auslegt).
• Sofern keine andere Regelung eingreift: Schülerbeförderungskosten (vgl. SG Aurich 14.3.2008 – S 25 AS 822/07 -, hierzu jedoch ablehnend: Bundessozialgericht 28.10.2009 – B 14 AS 44/08 R -).
• Sofern keine andere Regelung eingreift: gleichzeitiges Schulmaterial für 5 Kinder einer Alleinerziehenden (vgl. SG LSG Nordrhein-Westfalen 15.4.2009 – L 7 B 401/08 AS -).
Entscheidend ist zunächst, dass die Bedürftigen den Behörden umgehend möglichst umfassend zur Kenntnis bringen, warum sie meinen, dass in ihrem Einzelfall ein Härtefall vorliegt.
Das Sozialgericht Leipzig hat mit Gerichtsbescheid – S 9 AS 3050/15 – vom 12.09.2017 eine Sanktionierung durch das Jobcenter aufgehoben, obwohl die Arbeit suchende Person weder den Eingang der Bewerbung bei dem potentiellen Arbeitgeber noch die Absendung der Bewerbung (nach den strengen Beweisregeln) beweisen konnte.
Das Bundessozialgericht hat mit Beschluss – B 14 AS 64/17 B – vom 25.10.2017 auf die Beschwerde der Klägerin die Revision gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 17.11.2016 zugelassen. Die bedeutet, dass gehofft werden darf, dass der 14. Senat des Bundessozialgerichts den rechtlichen Gehalt des „atypischen Sonderbedarfs“ nach § 21 Abs. 6 SGB II konturiert.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 23.05.2013 (Az.: B 4 AS 67/12 R) entschieden, dass Leistungsberechtigte nach dem SGB II für Zeiten, in denen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft auf Grund eingetretener Sanktionen keine Leistungen für Unterkunft und Heizung erhalten, einen Anspruch auf Berücksichtigung höherer Kosten für Unterkunft und Heizung haben.
Nachdem die Stadt Leipzig im vergangenen Jahr einsehen musste, dass ihre vom Sozialamt und vom Jobcenter Leipzig anzuwendende Richtlinie betreffend die Angemessenheitsgrenzen bei den Kosten für Unterkunft und Heizung vor der Sozialgerichtsbarkeit keinen Bestand hatte
Oftmals zahlen Arbeitgeber viel zu niedrige Löhne, so dass die Arbeitnehmer gezwungen sind, aufstockend Leistungen nach dem SGB II zu beantragen. Als sittenwidrig ist z.B. ein Lohn von 3,50 Euro brutto anzusehen. Wenn Arbeitsentgelte sittenwidrig niedrig sind, steht den Betroffenen aus § 612 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung, im Zweifel also der Tariflohn zu. Auch macht sich der Arbeitgeber dann strafbar.
Auch wenn die am 3.12.2010 vom Bundestag verabschiedeten Gesetzesänderungen vorerst vom Bundesrat gestoppt sind, ist dringend zu empfehlen, (nachweislich bis spätestens 31.12.2010 bei der Behörde eingehende) Überprüfungsanträge zu stellen, wenn die Vermutung besteht, dass in den Jahren 2006 bis 2009 zu Unrecht Leistungen nach dem SGB II oder nach dem SGB XII ganz oder teilweise vorenthalten wurden.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09,
1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 – erkannt, dass dem SGB II eine Härtefallregelung fehlt und diese (im Rahmen einer einstweiligen Anordnung bis zur gesetzlichen Neuregelung) mit sofortiger Wirkung in Kraft gesetzt.
Der Gesetzgeber ist grundsätzlich befugt, den typischen Bedarf zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums durch einen monatlichen Festbetrag abzudecken. Das Gesetz muss dann jedoch eine Härtefallöffnungsklausel für atypische Fälle haben.
Das Sächsische Landessozialgericht hat mit Urteil vom 25.02.2010 – AZ: L 2 AS 451/09 - die Berufung der Bundesagentur für Arbeit gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 26.05.2009 – S 23 AS 457/08 – zurückgewiesen. Damit wurde die Stattgabe der auf grundsätzlichen sozialverwaltungsrechtlichen Erwägungen gestützten Klage gegen eine Mahngebührenfestsetzung der Bundesagentur für Arbeit wegen einer Arbeitslosengeld II-Rückforderung bestätigt.
Seit 2005 kürzen die für das Arbeitslosengeld-II zuständigen Behörden die Regelleistung bei einem Aufenthalt im Krankenhaus um einen pauschalen Betrag. Begründet wird dies damit, dass durch die Krankenhausverpflegung eine Kostenersparnis eintritt und der Leistungsempfänger sich diese anrechnen lassen muss.
Erst das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 18.06.2008 zum Aktenzeichen B 14 AS 22/07 R dieser Praxis einen Riegel vorgeschoben. Das Gericht hat bestätigt, dass es bis zum 01.01.2008 keine Rechtsgrundlage für eine solche Kürzung gegeben hat.