Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beantragen
von Sebastian Obermaier
Leider zeigt sich immer wieder, dass von den Betroffenen bzw. deren Betreuern und Vertretern vergessen wird, Leistungen gemäß §§ 41 ff SGB XII zu beantragen.
Dies kann nicht „nur“ insofern fatal sein, als dass den Betroffenen die nur auf Antrag gewährten Mittel fehlen. Vielmehr müssen die Betreuer bzw. Vertreter (die beispielsweise auf der Basis einer Vorsorgevollmacht tätig werden) damit rechnen, selbst in die Haftung genommen zu wer-den. Oftmals wird man sich dann auch nicht bei im Grundsatz unterhaltspflichtigen Kindern oder Eltern schadlos halten können, da die Grundsicherungsleistungen vorrangig sind und entspre-chend bei einem Versäumen der Beantragung von einem entsprechenden fiktiven Einkommen auszugehen ist (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil vom 24.06.2004 – 6 UF 7/03 -).
Es sei auch nochmals auf § 43 Abs.2 SGB XII hingewiesen, dem gemäß Unterhaltsansprüche gegenüber Kindern und Eltern unberücksichtigt bleiben, deren Jahresgesamteinkommen unter 100.000 € liegt; das dieser Schwellenwert nicht erreicht wird, wird nach dem Gesetz vermutet.
Zwischenzeitlich hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass hier das Vermögen der Kinder und Eltern außer Betracht bleibt (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 30.08.2006 – XII ZR 98/04).
Jüngst konnte die Stadt Leipzig - im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens – dazu gebracht werden, auch an einen am Down-Syndrom leidenden Schüler einer Förderschule ab Vollen-dung des 18. Lebensjahres Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung zu erbrin-gen. Aufgrund der Nachzahlung der Behörde konnte dann den Eltern (die seit der Volljährigkeit ihres Sohnes dessen Betreuer sind), das zwischenzeitlich (unter Einschaltung eines Ergän-zungsbetreuers) zur Sicherung des Lebensunterhaltes geliehene Geld zurückgezahlt werden.
Das Bundessozialgericht hat mit einer aktuellen Entscheidung vom 24.03.2015 die Rechtsprechung fortgeführt, dass bei verfassungskonformer Auslegung des § 27a Abs 3 SGB XII iVm der Anlage zu § 28 SGB XII, wenn erwerbsunfähige volljährige behinderte Menschen mit ihren Eltern bzw einem Elternteil zusammenleben, aufgrund gesetzlicher Vermutung (§ 39 SGB XII) von einer gemeinsamen Haushaltsführung auszugehen ist und damit Leistungen für den Lebensunterhalt grundsätzlich nach der Regelbedarfsstufe 1 (100 %) statt der Regelbedarfsstufe 3 (80 %) zu gewähren sind.
Trotz mehrerer Urteile des Bundessozialgerichtes vom Sommer 2014 verweigert das Bundessozialministerium (BMAS) erwachsenen Menschen mit Behinderung, die von Angehörigen betreut werden, die volle Grundsicherung. Das Bundessozialgericht in Kassel hatte im Sommer 2014 entschieden, dass die bisherige Kürzung, so die Richter in drei Grundsatzurteilen (AZ: B 8 SO 14/13 R, B 8 SO 31/12 R, B 8 SO 12/13 R) gegen den Gleichheitsgrundsatz und gegen die UN-Behindertenrechtskonvention verstoße.
Das Sozialgericht Leipzig hat mit Urteil vom 07.07.2014 (Aktenzeichen: S 3 AS 2028/12) entschieden, dass Leistungen für Nachhilfeunterricht von dem Jobcenter auch dann zu erbringen sein können, wenn eine längerfristige Nachhilfe erforderlich ist oder eine Teilleistungsschwäche (z.B.: Legasthenie oder Dyskalkulie) vorliegt.
Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 22.03.2012 (Az.: B 4 AS 102/11 R) entschieden, dass Studenten, welche sich in einem Urlaubssemester befinden, einen Anspruch auf Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II haben können. Hintergrund ist die Regelung in § 7 Abs. 5 SGB II, wonach Auszubildende deren Ausbildung im Rahmen des BAföG oder des BAB dem Grunde nach förderungsfähig ist keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II haben.
Das LSG Chemnitz hat mit Urteil vom 05.05.2011 (Az.: L 2 AS 803/09) entgegen der bisherigen Rechtsprechung zugunsten von Haus- und Wohnungseigentümern im Alg-II-Bezug entschieden, dass jedenfalls bei drohendem Verlust des Eigenheims nicht nur Betriebskosten und Schuldzinsen, sondern auch die Tilgungsraten vom Jobcenter bis zu der Höhe zu übernehmen sind, die für einen Mieter als angemessene Unterkunftskosten anerkannt werden. Eigentümer müssen sich insoweit auch nicht auf ein Darlehen verweisen lassen.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II haben Zuwanderer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, sowie deren Familienangehörige keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Das Bundessozialgericht hat nunmehr mit Urteil vom 19.10.2010 (Az.: B 14 AS 23/10 R) entschieden, dass diese Ausschlussregelung nicht für in Deutschland lebende Hilfebedürftige aus den europäischen Staaten, welche das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) vom 11.12.1953 unterzeichnet haben, gilt.
§ 8 Abs.2 Satz 2 Sächs. LBlindG sieht die Anwendbarkeit der besonderen Vorschriften für das soziale Entschädigungsrecht im Sozialgerichtsgesetz vor. Im Klartext bedeutet dies, dass die Behörde die Leistungen sofort einstellt, auch wenn sich der Betroffene mit Widerspruch und ggf. Klage dagegen wendet. Denn gemäß § 86a Abs.2 Nr. 2, 1. Alt. Sozialgerichts-gesetz entfällt in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung entziehen oder herabsetzen, die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage.
Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 17.06.2010 (Az.: B 14 AS 46/09 R) klargestellt, dass ein rückzahlungspflichtiges Darlehen im Rahmen der Berechnung des Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB II nicht als (anzurechnendes) Einkommen zu berücksichtigen ist. Da die Hilfebedürftigen mit der Rückzahlungsverpflichtung belastet sind, wird ihre Vermögenssituation nicht verbessert.
Bundessozialgericht bestätigt : Auch für Harzt IV Empfänger gilt der Gleichheitssatz aus dem Grundgesetz: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“(Art 3 Abs 1 GG) und „Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.“( Art 11 GG)
Der 4. Senat des Bundessozialgerichtes hat am 1. Juni 2010 im Verfahren B 4 AS 60/09 R entschieden, dass der Träger der SGB II Leistungen verpflichtet ist, nach einem Umzug von Bayern in eine teurere Wohnung in Berlin, deren Mietzins für Berliner Verhältnisse jedoch angemessen ist, diese Kosten der Unterkunft zu übernehmen.