Streit um Höhe des Elterngeldes bei nachträglichen Lohnzahlungen

von Constanze Würfel

Wieder einmal wurde das Bundessozialgericht angerufen, um eine offensichtlich vom Gesetzgeber übersehene Fallkonstellation zu regeln. Nach dem Bundeselterngeldgesetz, welches am 01.01.2007 in Kraft getreten ist, wird Elterngeld in Höhe von 67 % des in den 12 Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten Einkommens aus Erwerbstätigkeit gezahlt. Damit war erstmalig eine Elternförderung in Abhängigkeit vom Verdienst eingeführt worden. Die 12 Kalendermonate vor der Geburt des Kindes stellen daher den Bemessungszeitraum für die Ermittlung der konkreten Höhe des Elterngeldanspruches dar. Nicht selten kommt es vor, dass Lohn oder Gehalt nachgezahlt wird, etwa bei rückwirkenden tariflichen Lohnerhöhungen oder Lohnabrechnungsproblemen des Arbeitgebers. Gegenwärtig sind zahlreiche gerichtliche Verfahren zu der Frage anhängig, ob eine Lohn- bzw. Gehaltsnachzahlungen für abgeschlossene Abrechnungszeiträume Elterngeld steigernd zu berücksichtigen sind. Die zuständigen Elterngeldstellen in Sachsen vertreten die Auffassung, dass weder eine Nachzahlung von Gehalt für Abrechnungszeiträume des laufenden Kalenderjahr, noch des Vorjahres – sofern sie im Bemessungszeitraum liegen – Elterngeld steigernd berücksichtigt werden können. Lohn- bzw. Gehaltsnachzahlungen, die während des Bezuges von Elterngeld zufließen (selbst für Abrechnungszeiträume, die im Bemessungszeitraum des Elterngeldanspruches liegen), werden von den zuständigen Elterngeldbehörden als Einkommen berücksichtigt, welches den Elterngeldanspruch mindert. Die betroffenen Eltern sind also doppelt bestraft ! Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat am 26.08.2009 entschieden, dass eine für das Vorjahr gewährte Gehaltsnachzahlung für Abrechnungszeiträume des Bemessungszeitraumes für das Elterngeld zu berücksichtigen sind ( Az.: L 13 EG 25/09). Das Gericht hat darauf abgestellt, dass es der Wille des Gesetzgebers gewesen sei, ausschließlich einmalige Einnahmen wie 13. oder 14. Monatsgehalt, Gratifikationen, Weihnachtszuwendungen u.ä. von der Berücksichtigung als Einkommen im Bemessungszeitraum auszuschließen, nicht aber Gehaltsnachzahlungen. Gründe der Verwaltungsvereinfachung, die es erfordern könnten, in der Gehaltsmitteilung explizit ausgewiesene Lohnnachzahlungen aus dem Vorjahr nicht für das Elterngeld zu berücksichtigen, sieht das Gericht nicht. Die Behörde könne ohne unzumutbaren Aufwand beim Arbeitgeber durch eine einfache Nachfrage klären, welchen Lohnabrechnungszeiträumen eine Nachzahlung zuzuordnen ist. Das LSG NRW hat die Revision zum Bundessozialgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache für eine Vielzahl von Streitfällen zugelassen. Bleibt zu hoffen, dass das Bundessozialgericht die Entscheidung des LSG NRW zugunsten aller betroffenen Eltern bestätigt. Allen betroffenen Eltern ist daher zu raten, gegen die Entscheidungen der Elterngeldbehörde das entsprechende Rechtsmittel einzulegen, damit diese nicht rechtskräftig werden. Constanze Würfel Rechtsanwältin und Fachanwältin für Sozialrecht

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Von Constanze Würfel

BSG bestätigt auch aktuell Rechtswidrigkeit der Kürzung von Sozialleistungen für behinderte Menschen

Das Bundessozialgericht hat mit einer aktuellen Entscheidung vom 24.03.2015 die Rechtsprechung fortgeführt, dass bei verfassungskonformer Auslegung des § 27a Abs 3 SGB XII iVm der Anlage zu § 28 SGB XII, wenn erwerbsunfähige volljährige behinderte Menschen mit ihren Eltern bzw einem Elternteil zusammenleben, aufgrund gesetzlicher Vermutung (§ 39 SGB XII) von einer gemeinsamen Haushaltsführung auszugehen ist und damit Leistungen für den Lebensunterhalt grundsätzlich nach der Regelbedarfsstufe 1 (100 %) statt der Regelbedarfsstufe 3 (80 %) zu gewähren sind.

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Von Constanze Würfel

Eilmeldung - Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) kündigt an, die Kürzung der Sozialhilfeleistungen für behinderte Menschen zu beenden.

Trotz mehrerer Urteile des Bundessozialgerichtes vom Sommer 2014 verweigert das Bundessozialministerium (BMAS) erwachsenen Menschen mit Behinderung, die von Angehörigen betreut werden, die volle Grundsicherung. Das Bundessozialgericht in Kassel hatte im Sommer 2014 entschieden, dass die bisherige Kürzung, so die Richter in drei Grundsatzurteilen (AZ: B 8 SO 14/13 R, B 8 SO 31/12 R, B 8 SO 12/13 R) gegen den Gleichheitsgrundsatz und gegen die UN-Behindertenrechtskonvention verstoße.

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Von Raik Höfler

Sozialgericht Leipzig: Anspruch auf Lernförderung auch bei längerfristigem Bedarf und Dyskalkulie möglich

Das Sozialgericht Leipzig hat mit Urteil vom 07.07.2014 (Aktenzeichen: S 3 AS 2028/12) entschieden, dass Leistungen für Nachhilfeunterricht von dem Jobcenter auch dann zu erbringen sein können, wenn eine längerfristige Nachhilfe erforderlich ist oder eine Teilleistungsschwäche (z.B.: Legasthenie oder Dyskalkulie) vorliegt.

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Von Raik Höfler

BSG: Studenten im Urlaubssemester können Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II haben

Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 22.03.2012 (Az.: B 4 AS 102/11 R) entschieden, dass Studenten, welche sich in einem Urlaubssemester befinden, einen Anspruch auf Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II haben können. Hintergrund ist die Regelung in § 7 Abs. 5 SGB II, wonach Auszubildende deren Ausbildung im Rahmen des BAföG oder des BAB dem Grunde nach förderungsfähig ist keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II haben.

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Von Cornelia Queck

Tilgungsraten für Hauseigentum sind vom Jobcenter zu übernehmen, wenn sie unvermeidlich und angemessen sind

Das LSG Chemnitz hat mit Urteil vom 05.05.2011 (Az.: L 2 AS 803/09) entgegen der bisherigen Rechtsprechung zugunsten von Haus- und Wohnungseigentümern im Alg-II-Bezug entschieden, dass jedenfalls bei drohendem Verlust des Eigenheims nicht nur Betriebskosten und Schuldzinsen, sondern auch die Tilgungsraten vom Jobcenter bis zu der Höhe zu übernehmen sind, die für einen Mieter als angemessene Unterkunftskosten anerkannt werden. Eigentümer müssen sich insoweit auch nicht auf ein Darlehen verweisen lassen.

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Von Raik Höfler

BSG: Leistungen nach dem SGB II auch für Zuwanderer aus bestimmten europäischen Staaten

Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II haben Zuwanderer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, sowie deren Familienangehörige keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Das Bundessozialgericht hat nunmehr mit Urteil vom 19.10.2010 (Az.: B 14 AS 23/10 R) entschieden, dass diese Ausschlussregelung nicht für in Deutschland lebende Hilfebedürftige aus den europäischen Staaten, welche das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) vom 11.12.1953 unterzeichnet haben, gilt.

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Von Sebastian Obermaier

Widerspruch und Klage gegen Nachteilsausgleichsentziehung haben aufschiebende Wirkung ! Sächsisches Gesetz unwirksam !

§ 8 Abs.2 Satz 2 Sächs. LBlindG sieht die Anwendbarkeit der besonderen Vorschriften für das soziale Entschädigungsrecht im Sozialgerichtsgesetz vor. Im Klartext bedeutet dies, dass die Behörde die Leistungen sofort einstellt, auch wenn sich der Betroffene mit Widerspruch und ggf. Klage dagegen wendet. Denn gemäß § 86a Abs.2 Nr. 2, 1. Alt. Sozialgerichts-gesetz entfällt in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung entziehen oder herabsetzen, die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage.

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Von Raik Höfler

BSG: Darlehen von Verwandten ist nicht als Einkommen zu berücksichtigen

Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 17.06.2010 (Az.: B 14 AS 46/09 R) klargestellt, dass ein rückzahlungspflichtiges Darlehen im Rahmen der Berechnung des Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB II nicht als (anzurechnendes) Einkommen zu berücksichtigen ist. Da die Hilfebedürftigen mit der Rückzahlungsverpflichtung belastet sind, wird ihre Vermögenssituation nicht verbessert.

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Von Constanze Würfel

Bundessozialgericht entschied zu Unterkunftskosten bei Umzug

Bundessozialgericht bestätigt : Auch für Harzt IV Empfänger gilt der Gleichheitssatz aus dem Grundgesetz: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“(Art 3 Abs 1 GG) und „Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.“( Art 11 GG)

Der 4. Senat des Bundessozialgerichtes hat am 1. Juni 2010 im Verfahren B 4 AS 60/09 R entschieden, dass der Träger der SGB II Leistungen verpflichtet ist, nach einem Umzug von Bayern in eine teurere Wohnung in Berlin, deren Mietzins für Berliner Verhältnisse jedoch angemessen ist, diese Kosten der Unterkunft zu übernehmen.

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